Streit in Chiozza

Mamma mia, dieser Krach!

Das Theater am Grimmels ringt der deutschen Übersetzung eines Goldoni-Stücks Leichtigkeit ab.

Dieses Stück ist vor allem laut. Ständig wird gestritten, provoziert, sich empört, gekreischt, gestöhnt, geflucht, gebrüllt, gelallt, gebettelt, gewimmert, aufgestampft, mit Stühlen und Schimpfworten um sich geworfen, sich gegenseitig verwünscht und zum Teufel gejagt – allein oder mit anderen, am liebsten in der Masse, unisono oder wild durcheinander.

Wir sind in Italien. Carlo Goldoni hat das Stück „Streit in Chiozza“ im 18. Jahrhundert dem italienischen Volk kunstvoll vom Maul abgeschrieben. Das Theater am Grimmelshausen-Gymnasium unter der Regie von Paul Barone hat es bearbeitet und zur Premiere am Donnerstagabend krachend auf die Bühne des Salmensaals gestellt. Porca Miseria!

Das Stück auf Deutsch zu inszenieren ist nicht ganz leicht. Denn auch wenn’s laut wird, klingt Goldonis italienische Originalsprache wie Musik. Die knatternden Konsonanten und artistisch gebeugten Vokale ergeben einen Sprachklang wie Musik von Verdi. Geschrei auf Deutsch klingt daneben halt eher nach Wagner. Es fehlt die Leichtigkeit. Wo italienisches Gezeter nach Leidenschaft klingt, klingt deutsches nach Leiden, und das steht dem Charakter einer Komödie im Weg.

Die Regie von Paul Barone steuert dem gekonnt gegen mit Italo-Pop, der dem emotionalen Dauersperrfeuer von der Bühne immer wieder Pausen entspannter Urlaubserinnerungen entgegenstellt. Paul Barone ordnet das organisierte Chaos auf der Bühne in schönen Gruppenarrangements, Kampfszenen in Stop-and-go-Bildern und einer durch Stühle gegliederten Bühnenlandschaft, die von den sich gegenseitig übertrumpfen wollenden Streitparteien wie Misthaufen von Gockeln genutzt werden. Die natürliche Sinnlichkeit des jugendlichen Ensembles und seine unwiderstehliche schauspielerische Leidenschaft geben dann den letzten Schubser, um den Abend doch zielsicher in Richtung Leichtigkeit, Szenenapplaus und hoch verdientem großen Schlussapplaus kippen zu lassen.

Die Farben der italienischen Trikolore dominieren die Bühne (Bühnenbau François Barone): Grün für Orsettas Familie und Rot für Luciettas Clan. Die Feinripp-Unterhemden der Männer geben das Weiß dazu. Man hätte die Farbzuteilung der Clans auch umgekehrt wählen können, denn das grüne Geschwätz von Lucietta (Denise Wußler), der ebenso dominanten, verführerischen wie temperamentvollen und intriganten Anführerin ihres Clans, streut im Handumdrehen den Streit. Nicht minder temperamentvoll, aber sympathischer gezeichnet, kämpft Orsetta (Fae-Fae Herdt) gegen die Rivalin und um die Liebe ihres von Lucietta intrigierten Beppo (Lukas Groh). Der Fischer rast vor Eifersucht, als er von Lucietta erfährt, dass der Fährmann Toffolo (Marius Lutz) während Beppos Zeit auf See mit Orsetta geflirtet haben soll. Orsettas Familie entfacht daraufhin auch bei Titta Nane (Lukas Herrmann), dem Verlobten Luciettas, das Feuer der Eifersucht auf Toffolo. Hatte der Fährmann doch auch mit Lucietta angebandelt, wenn auch nur, um Checcina (Lena Tetzner), auf die er eigentlich ein Auge geworfen hat, zu reizen. Der Streit in dieser auf Komisch gebürsteten Romeo-und-Julia-Geschichte eskaliert und landet schließlich vor den Schranken des Gerichts. Im Verhör treiben die sich taub stellende Donna Libera (Caroline Scheringer) und vor allem die komödiantische Entdeckung des Abends, Lukas Rieder als mit schlimmem Sprachfehler geschlagener Paron Fortunato, die Adjunktin (Shirin Helling) in den Wahnsinn und das Publikum zu Beifallsstürmen. Zum großen Finale gibt’s Versöhnung, Küsse, Umarmungen, Tänze und jede Menge „Ti amo“. Mamma mia!

Ralf Burgmaier, Badische Zeitung, 26. November 2011

Zickenkrieg im Fischerdorf

Hoch her ging es beim Stück »Streit in Chiozza« der Theater-AG des Grimmelshausen-Gymnasiums.
Die Theater-AG des Grimmelshausen-Gymnasiums begeisterte das Publikum im Salmen mit dem Stück »Streit in Chiozza«, einer temperamentvollen Komödie rund um Liebe und Eifersucht.

Offenburg. Im kleinen italienischen Fischerdorf Chiozza sitzen die Frauen vor ihren Häusern, waschen, plaudern und vertreiben sich die Zeit, während sie auf ihre Männer warten, die schon seit Monaten auf See sind. Dabei kommt es immer wieder zu kleinen Sticheleien zwischen den Familien von Lucietta (Denise Wußler) und Orsetta (Fae-Fae Herdt). Die Situation spitzt sich allerdings zu, als Lucietta mit dem Fährmann Toffolo (Marius Lutz) flirtet, obwohl sie eigentlich verlobt ist. Die Frauen kommen überein, den Männern nichts davon zu erzählen, doch schon kurz nachdem sie mit ihrem Fang heimgekehrt sind, haben die Frauen alles ausgeplaudert und dabei noch einiges ausgeschmückt. Der wütende Titta Nane (Lukas Herrmann) löst daraufhin seine Verlobung mit Lucietta, was eine ganze Reihe von Ereignissen nach sich zieht. Es wird geflucht, gestritten, geschrien, gespuckt und geohrfeigt. Schließlich bedrohen einige Männer den mit der Situation deutlich überforderten Toffolo, der sie daraufhin vor Gericht bringt. Der Gerichtskanzlerin (Shirin Helling) gelingt es schließlich nach mehreren Beinahe-Nervenzusammenbrüchen, die zerstrittenen Familien zu versöhnen. Neue und alte Paare finden (wieder) zusammen und am Ende gibt es gleich mehrere Hochzeiten.
Eindrucksvolle Szenen
Die Inszenierung von Paul Barone punktete durch die fantasievolle Raumgestaltung: Mitten durchs Publikum führte ein Steg, über den die Männer auftraten und der direkt Fischerdorf-Atmosphäre aufkommen ließ. Die Kostüme der Frauen waren klar in den Farben der rivalisierenden Familien – Rot und Grün – gehalten, was sich auch in der Beleuchtung widerspiegelte, als sie in einer eindrucksvollen Prügelszene aufeinander losgingen.
Die jungen Darsteller agierten mit Temperament und ansteckender Spielfreude. Einen komödiantischen Höhepunkt bildete die Szene, in der Donna Libera und ihr Mann Paron Fortunato vor Gericht aussagen sollen, wo Libera (Caroline Scheringer) sich taub stellt und der beinahe zahnlose Fortunato (herrlich komisch gespielt von Lukas Rieder) einen lebhaften Bericht gibt, von dem man durch seine undeutliche Aussprache aber kein Wort versteht.
Der kurzweilige Theaterabend war voller eigenwilliger Charaktere und witziger Regieeinfälle, wie zum Beispiel die Szene, in der der alte Paron Vicenzo (Thibaud Schmidt) im allgemeinen Durcheinander versucht, Unterwäsche von den Wäscheleinen im Hintergrund mitgehen zu lassen. Besonders mitreißend war auch der Einsatz von italienischer Musik mit Tanzchoreografien von Patrick Labiche. Das Publikum zeigte sich begeistert und belohnte die Akteure mit anhaltendem Applaus.

Dunja Rühl, Offenburger Tageblatt, 1. Dezember 2011